Pfefferspray ist bei der Polizei in Mode gekommen als Wunderwaffe gegen Alles und Jeden. Als nicht-tödliches Mittel bei Einsätzen gegen Gewalttäter gedacht, wird es inzwischen als Repressionsmittel bei politischen Demonstrationen und Aktionen anlass- und wahllos eingesetzt. Die Folge sind immer wieder Dutzende von Verletzten. Öffentliche Empörung erregte der massenhafte Einsatz von Pfefferspray gegen SchülerInnen in Stuttgart. Weniger Echo fand der noch wesentlich härtere Einsatz gegen AktivistInnen der Kampagne CastorSchottern, obwohl hier über 1000 Menschen hauptsächlich durch Pfefferspray verletzt wurden. Dazu die Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke in einer Pressemitteilung vom 01.12.2010:
"Castor-Einsatz: Tausende Pfefferspray-Kartuschen gegen Demonstranten
Die Bundespolizei hat beim Castor-Einsatz fast 2200 Kartuschen mit synthetischem Pfefferspray leergesprüht. Schon die Dimension dieses Reizgaseinsatzes zeigt, welcher Polizeigewalt die Demonstranten ausgesetzt waren. Mit der Verhältnismäßigkeit der Mittel ist das schlechterdings unvereinbar. (...) Die Bundesregierung teilt mit, nach dem Einsatz sei seitens der Bundespolizei „ein Ersatzbedarf von 2190“ Sprühgeräten angezeigt worden. Pfefferspray ist eine Waffe, die schon mehrfach Todesopfer gefordert hat. Sie gegen Demonstranten oder Sitzblockierer zu verwenden, halte ich für absolut illegitim."
Auch hier in Göttingen wird das Kampfgas nun gegen Demonstrationen eingesetzt. Wir und andere konnten mehrere provokative und offenkundig illegale Pfefferspray-Angriffe der Polizei dokumentieren. Derzeit sind wir an der Auswertung des Materials, eine Stellungnahme und weitere Schritte gegen diese neue Form der Polizeigewalt werden folgen.
Um zu verdeutlichen, dass Pfefferspray alles andere als eine wirksame, aber harmlose Biowaffe ist, verweisen wir an dieser Stelle auf mehrere Stellungnahmen der Bundestagsabgeordneten Karin Binder von der Linksfraktion, in denen sie ein Verbot fordert. Untermauert wird diese Forderung durch ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten:
"Pfefferspray-Einsatz durch Polizei rechtswidrig
Aus vollen Rohen auf friedliche Demonstranten
Der Einsatz von Pfefferspray durch die Polizei muss in Deutschland verboten werden. Das ist die zentrale Erkenntnis eines Gutachtens der Abgeordneten Karin Binder aus Karlsruhe. Anlass der Untersuchung war der massive Pfefferspray-Einsatz durch Polizeikräfte gegen Stuttgart-21-Gegener Ende September in Stuttgart."
"Pfefferspray-Einsatz der Bundespolizei völlig unverhältnismäßig
Die Bundespolizei hat im Wendland in nur zehn Einsatz-Stunden bis zu 217 Liter Pfefferspray versprüht. (...) Das entspricht der Füllung einer Badewanne. Nach der Technischen Richtlinie der Polizei zur Verwendung von Reizstoff-Sprühgeräten hätte die Menge ausgereicht, um 16.000 Menschen außer Gefecht zu setzen. Der Umgang mit dem Reizstoff erfolgt offenbar massenhaft und willkürlich. Das Vorgehen der Vollzugskräfte gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten ist völlig unverhältnismäßig und nicht zu rechtfertigen. Ich fordere Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière auf, die Verwendung von Pfefferspray durch die Polizei unverzüglich einzustellen.
Pfefferspray war aufgrund mehrerer Todesfälle, die im Zusammenhang mit der Verwendung des Reizstoffes stehen, ins Gerede gekommen. Menschen mit Atemwegserkrankungen sowie Personen, die Beruhigungsmittel oder Drogen genommen haben, sind demnach in ihrer Gesundheit akut gefährdet. DIE LINKE im Bundestag fordert deshalb ein Verbot von Pfefferspray."
Das Gutachten: „Der Einsatz von Pfefferspray gegen Demonstranten durch Polizeikräfte – Gesundheitliche Auswirkungen und Grundsätze der Verhältnismäßigkeit“ kommt zum Schluss:
"Der Einsatz von Pfefferspray wird in den Vorschriften des Bundes und der Länder nicht oder nur unkonkret beschrieben. Die gesundheitlichen Auswirkungen von Pfefferspray sind kaum Gegenstand der Regelungen. Die Verwendung bei der Polizei erfolgt ohne eine medizinische Beurteilung der Wirkstoffe. Gesundheitliche Vorsorgemaßnahmen durch Polizeibehörden sind gar nicht vorgesehen, obwohl die Fachliteratur gesundheitsbedrohlich Folgen des Einsatzes von Pfefferspray gegen Menschen beschreibt und zahlreiche Todesfälle belegt sind. (...)
Der Einsatz von Pfefferspray zum Einsatz bei Polizeikräften als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt und zur Ausübung unmittelbaren Zwanges muss in Deutschland verboten werden. Die gesundheitlichen Risiken von Pfefferspray müssen grundlegend erforscht und generell Teil forensischer Untersuchungen sein."
Der Verfasser des Gutachtens, Björn Schering, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Büro Karin Binder, nimmt in einem Interview mit dem Nürnberger Radio Z Stellung:
"Pfefferspray: Tränende Augen, Atemnot, Tod
Pfefferspray ist die neue Allzweckwaffe der Polizei und gehört verboten. Das meint die Partei "Die Linke" und hat dazu ein Gutachten geschrieben. Darin nimmt sie die gesundheitlichen Auswirkungen unter die Lupe - die längst nicht nur tränende Augen sind - und stellt auch die Frage: Wann darf die Polizei laut Gesetz Pfefferspray verwenden und wann eben auch nicht?
Chilly, oder auch gemahlen: Cayenne-Pfeffer, ist im Essen lecker. Und genau dort gehört es auch hin. Doch immer häufiger verwendet die Polizei Reizgas mit Chilly drin, auch Pfefferspray genannt. Die Folge: massenhaft verletzte DemonstrantInnen, Augenverletzungen, Schockzustände. Zuletzt bei den Protesten gegen Stuttgart 21 und dem Castortransport nach Gorleben. Nach Aussagen der Herstellerfirmen hat Pfefferspray eine "sofortige Mann-Stopp-Wirkung" und macht "den Angreifer sofort kampfunfähig".
Die Partei "Die Linke" kritisiert den inflationären Einsatz von Pfefferspray vor allem bei Demonstrationen und fordert ein Verbot. Gerade in Stuttgart sei Pfefferspay in riesigen Mengen, unterschiedlos und willkürlich eingesetzt worden. Deshalb hat die Linkspartei dazu ein Gutachten erstellt, geschrieben hat es Björn Schering, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten Karin Binder."
Auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags veröffentlichte ein Papier mit weiterführenden Quellenangaben zum herunterladen:
„Pfefferspray“ – Wirkung und gesundheitliche Gefahren
In Wikipedia ist zum Risiko nachzulesen:
"Es besteht das Risiko, insbesondere für Asthmatiker und Menschen unter Drogeneinfluss, dass die Wirkung tödlich ist. (...) Die Wirkung auf die Atemwege ist stark davon abhängig, in welchem Ausmaß der Wirkstoff in den Mund und die Atemwege gelangt; ein Hustenreiz tritt jedoch fast immer ein. Teilweise kann es bei Asthmatikern zu einer Verkrampfung des Bronchialsystems und zum Stimmritzenkrampf kommen. Insbesondere bei labiler Blutdrucklage oder vorbestehendem arteriellen Bluthochdruck können alle zuvor benannten Reaktionen zu massiven Kreislaufbeschwerden führen."
Der Report "Pepper Spray Update: More Fatalities, More Questions" (PDF-Datei) der Organisation "American Civil Liberties Union of Southern California" berichtet von 26 Toten durch den Einsatz von Pfefferspray in Kalifornien allein in der Zeitspanne zwischen dem 1. Januar 1993 bis 1. Mai 1995:
"The review covers fatalities from Jan. 1, 1993, through May 1, 1995 — a total of 26 incidents. This total represents one fatality for every 602 reported uses of pepper spray by California law enforcement personnel since OC (Oleoresin capsicum, Anm.) was authorized for police use in Oct., 1992."